

Ängste / Phobien / Zwänge
Ängste, Phobien, Zwänge
Definition von Angst und ihre Funktion in der menschlichen Psyche
Angst ist eine grundlegende emotionale Reaktion, die evolutionär betrachtet eine Schutzfunktion hat.
Sie dient dazu, den Organismus vor potenziellen Gefahren zu warnen und ihn darauf
vorzubereiten, angemessen zu reagieren (Flucht, Kampf oder Erstarren). Angst mobilisiert
physiologische Ressourcen durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, was unter
anderem zu einer erhöhten Herzfrequenz, beschleunigter Atmung und einer Ausschüttung von
Stresshormonen (z. B. Adrenalin und Cortisol) führt.
Funktionelle Angst:
Schutz vor realen Gefahren (z. B. schnelles Bremsen im Strassenverkehr, wenn ein Kind auf
die Strasse läuft).
Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen (z. B. Lampenfieber vor einem wichtigen
Vortrag, das zu besserer Vorbereitung motiviert).
Pathologische Angst:
Wenn Angst unangemessen stark, anhaltend oder auf Situationen bezogen ist, die keine
reale Gefahr darstellen, wird sie als pathologisch eingestuft. In solchen Fällen kann Angst
die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zu Vermeidungsverhalten, sozialer
Isolation und einem Gefühl der Hilflosigkeit führen.
Die Unterscheidung zwischen normaler und pathologischer Angst ist essenziell für die Diagnose
und Therapie.
Normale Angst:
Kurzfristig und situationsgebunden.
Proportional zur wahrgenommenen Bedrohung.
Nach Ende der auslösenden Situation verschwindet die Angst.
Unterstützt das Überleben und die Problemlösung.
Pathologische Angst:
Unverhältnismässig stark im Vergleich zur tatsächlichen Bedrohung.
Anhaltend oder übermässig häufig, oft ohne klaren Auslöser.
Führt zu Beeinträchtigungen im Alltag (z. B. Arbeitsplatzverlust, soziale Isolation).
Begleitet von intensiven körperlichen Symptomen (z. B. Herzrasen, Schweissausbrüche, Schwindel)
und oft irrationalen Gedanken („Ich sterbe“, „Ich werde die Kontrolle verlieren“).
Phobien
Eine spezifische Phobie ist eine anhaltende, intensive Angst vor einem bestimmten Objekt oder
einer spezifischen Situation, die unverhältnismässig zur tatsächlichen Gefahr ist. Die Angst wird in
der Regel durch die Konfrontation mit dem phobischen Stimulus ausgelöst und kann zu einem
ausgeprägten Vermeidungsverhalten führen, das den Alltag der Betroffenen erheblich
beeinträchtig
Die spezifischen Phobien werden in verschiedene Kategorien eingeteilt:
1. Tierphobien:
Angst vor Hunden, Spinnen, Schlangen, Insekten usw.
Entwickelt sich häufig in der Kindheit.
2. Umweltbezogene Phobien:
Angst vor natürlichen Phänomenen wie Gewittern, Wasser, Höhe.
3. Situative Phobien:
Angst vor bestimmten Situationen wie Fliegen, Fahrstühlen, Tunneln oder engen
Räumen (oft mit Agoraphobie assoziiert).
4. Blut-, Injektions- und Verletzungsphobien:
Angst vor Blut, Nadeln, medizinischen Eingriffen.
Charakteristisch: Diese Phobien können zu einer sogenannten vasovagalen Reaktion
führen (z. B. Ohnmacht durch Blutdruckabfall).
5. Andere Phobien:
Angst vor Erstickung, Erbrechen, Clowns oder anderen spezifischen
Objekten/Situationen.
Zwangsstörungen
Biologische und genetische Faktoren
Genetische Prädisposition:
Erbliche Komponente: Studien zeigen, dass Zwangsstörungen familiär gehäuft auftreten.
Kinder von Eltern mit Zwangsstörungen haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls eine
Zwangsstörung zu entwickeln.
Zwillingsstudien: Eineiige Zwillinge weisen eine höhere Konkordanzrate für
Zwangsstörungen auf als zweieiige Zwillinge, was auf eine genetische Basis hinweist.
Neurotransmitter-Dysregulation:
Serotonin-System: Eine Störung der Serotonin-Regulation wird mit Zwangsstörungen in
Verbindung gebracht. Die Wirksamkeit von SSRIs (selektive Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer) unterstützt diese Hypothese.
Dopamin-System: Hinweise deuten darauf hin, dass auch Dysfunktionen im
Dopaminsystem eine Rolle spielen könnten.
Neuroanatomische Veränderungen:
Cortico-Striato-Thalamo-Corticaler (CSTC) Regelkreis: Dieser neuronale Schaltkreis ist bei
Zwangsstörungen überaktiv. Er umfasst den präfrontalen Cortex, die Basalganglien und den
Thalamus.
Basalganglien: Dysfunktionen in den Basalganglien, insbesondere im Striatum, können die
unkontrollierbare Wiederholung von Handlungen fördern.
Klassische Konditionierung:
Zwangsgedanken können durch neutralen Reize entstehen, die mit Angst oder Unbehagen
gekoppelt werden.
Beispiel: Eine Person, die eine Kontamination durch Türklinken fürchtet, hat möglicherweise
ein traumatisches Ereignis erlebt, das diese Assoziation verstärkt hat.
Operante Konditionierung:
Zwangshandlungen reduzieren kurzfristig die durch Zwangsgedanken ausgelöste Angst, was
das Verhalten durch negative Verstärkung aufrechterhält.
Beispiel: Händewaschen reduziert vorübergehend die Angst vor Kontamination und wird
deshalb immer wieder ausgeführt.
Vermeidung als Aufrechterhaltungsmechanismus:
Vermeidungsverhalten (z. B. keine öffentlichen Toiletten benutzen) verhindert die
Auseinandersetzung mit der Angst und verstärkt die Störung langfristig.